
Modellierung metabolischer Prozesse im Herzen
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Integratives Modell des kardialen Stoffwechsels

Das Herz ist energetisch eines der anspruchsvollsten Organe. Ein Drittel des Zellvolumens der Herzmyozyten wird von Mitochondrien eingenommen. Pro Gramm Gewebe hat das Herz die höchste Sauerstoffverbrauchsrate und der ATP-Umsatz während eines Tages beträgt das 20-fache seines Gewichts. Dies erfordert eine robuste und hohe ATP-Produktionsrate, um die Funktionsfähigkeit des Herzens zu erhalten. ATP wird sowohl für die elektrophysiologischen Prozesse des Ionenpumpens als auch für die mechanische Arbeit in seinem kontraktilen Apparat verbraucht. Störungen der ATP-erzeugenden Prozesse können sich daher direkt auf die kontraktile Funktion auswirken. Das Herz kann auf jede verfügbare Energiequelle wie Kohlenhydrate, Aminosäuren, Lipide und Ketonkörper zurückgreifen. Unter normalen Bedingungen ist die Oxidation freier Fettsäuren die vorherrschende Energiequelle. Sie trägt zu etwa 70% zur ATP-Produktionsrate bei, während die Nutzung von Glukose bei Ischämie, Hypoxie oder erhöhter Arbeitsbelastung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Verwendung verschiedener Substrate wird unter physiologischen Bedingungen streng reguliert, und zwischen den verschiedenen Stoffwechselwegen gibt es eine Vielzahl von Wechselwirkungen.
Die kinetische Modellierung des Herzstoffwechsels hat eine lange Tradition, die in den späten 70er Jahren begann. Alle verfügbaren Modelle vernachlässigen aber entscheidende Faktoren, die den Energiestatus des Herzens bestimmen, wie z. B. den Einfluss der wechselnden Substratversorgung, die hormonelle Stoffwechselkontrolle oder die variable Genexpression wichtiger Stoffwechselenzyme, die für das Verständnis von Stoffwechselveränderungen bei Herzerkrankungen notwendig sind. In dieser Arbeit haben wir ein kinetisches Multipathway-Modell für Kardiomyozyten mit bisher unerreichtem Umfang und Detailgrad entwickelt [1]. Das Modell umfasst die Regulierung der Enzymaktivitäten durch allosterische Effektoren, hormonabhängige reversible Phosphorylierung und variable Proteinmengen. Für jedes Enzym wurden Ratengleichungen entwickelt, die die kinetischen und regulatorischen Eigenschaften des Enzyms berücksichtigen, wie sie in in-vitro-Tests ermittelt wurden. Wir haben das Model benutzt, um Proteindaten von Patienten mit Klappenerkrankung zu untersuchen. Wir zeigen, dass die Kapazität für die ATP-Erzeugung deutlich vermindert ist und mit dem Bedarf für die mechanische Arbeit korreliert. Es gibt allerdings große Unterschiede in der energetischen Ausstattung des Myokards auch bei Patienten, die nach gängigen klinischen und bildgebenden Markern für Hypertrophie und Funktionalität ähnlich aussehen.
Publikationen:
- Berndt N, Eckstein J, Wallach I, Nordmeyer S, Kelm M, Kirchner M, Goubergrits L, Schafstedde M, Hennemuth A, Kraus M, Grune T, Mertins P, Kuehne T, Holzhütter HG. CARDIOKIN1: Computational Assessment of Myocardial Metabolic Capability in Healthy Controls and Patients With Valve Diseases. Circulation. 2021 Dec 14;144(24):1926-1939.
Projektfinanzierung: Dieses Projekt wird durch die DFG (Projektnr. 422215721) und durch das BMBF im Rahmen der EU-Initiative ERA PerMed „Personalised Medicine: Multidisciplinary Research Towards Implementation“ (Nr. 01KU2011A, „HeartMed“) finanziert.
Kooperationspartner:
- Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
- Titus Kühne (Charité, Institut für kardiovaskuläre Computer-assistierte Medizin)
- Philipp Mertins (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Proteomics)
Kardialer Stoffwechsel in Patienten mit Herzversagen

Für eine einwandfreie Funktion ist das Herz auf eine koordinierte Nutzung verschiedener energieliefernder Substrate wie Glukose, Fettsäuren, Glykogen und Laktat angewiesen. Je nach Substratverfügbarkeit und Energiebedarf muss das Herz seine Stoffwechselwege so anpassen, dass sichergestellt wird, dass das Energieangebot der Nachfrage entspricht. In pathologischen Situationen wie der Aortenstenose (AS) ist die Effizienz der Herzmuskelaktivität gestört und Fehlanpassungen können zu metabolischen Veränderungen führen, die zu einer Verschlechterung der Herzfunktion beitragen. Aufgrund von technischen Limitationen und ethischer Erwägungen sind experimentelle Untersuchung des kardialen Energiestoffwechsels am Patienten nur sehr schwer oder gar nicht möglich.
In diesem Projekt stellen wir ein detailliertes, umfassendes, kinetisches Modell des zentralen Herzstoffwechsels vor [1]. Das Modell berücksichtigt biochemisches Wissen wie die Regulation von Enzymen durch kinetische, allosterische und hormonelle Faktoren. Wir zeigen, dass das Modell in der Lage ist, die kardiale Substratverwertung unter verschiedenen Bedingungen zu beschreiben. Wir verwenden das Modell, um pathologische Veränderungen des kardialen Energiestoffwechsels in Patienten mit Herzklappenerkrankungen zu untersuchen.
Die Abbildung zeigt die spezifischen energetischen Parameter myokardialer ATP-Verbrauch in Ruhe (MVATP(rest)), bei maximaler Arbeitsbelastung (MVATP(max)) und die myokardiale ATP-Produktionsreserve (MAPR) für einzelne Patienten. Im Vergleich zu den Kontrollen sind die intra-individuellen Schwankungen dieser Parameter innerhalb der beiden Patientengruppen viel größer (siehe Boxplots B-D). Bei Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz ist MVATP(rest) signifikant erhöht, während MVATP(max) im Vergleich zu den Kontrollen signifikant erniedrigt ist. Bei Patienten mit AS ist MVATP(rest) ebenfalls signifikant erhöht und MVATP(max) signifikant erniedrigt. In beiden Patientengruppen ist MAPR im Durchschnitt signifikant niedriger als bei den Kontrollen. Somit haben beide Patientengruppen im Durchschnitt eine verringerte ATP-Produktionsreserve, die sowohl durch eine erhöhte MVATP(rest) als auch eine verringerte MVATP(max) bedingt ist.
Publications:
- Berndt N, Eckstein J, Wallach I, Nordmeyer S, Kelm M, Kirchner M, Goubergrits L, Schafstedde M, Hennemuth A, Kraus M, Grune T, Mertins P, Kuehne T, Holzhütter HG. CARDIOKIN1: Computational Assessment of Myocardial Metabolic Capability in Healthy Controls and Patients With Valve Diseases. Circulation. 2021 Dec 14;144(24):1926-1939.
Projektfinanzierung: Dieses Projekt wird durch die DFG (Projektnr. 422215721) und durch das BMBF im Rahmen der EU-Initiative ERA PerMed „Personalised Medicine: Multidisciplinary Research Towards Implementation“ (Nr. 01KU2011A, „HeartMed“) finanziert.
Kooperationspartner:
- Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
- Titus Kühne (Charité, Institut für kardiovaskuläre Computer-assistierte Medizin)
- Philipp Mertins (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Proteomics)
Kardialer Stoffwechsel in diabetischen Patienten

Diabetes mellitus ist eine weltweit epidemisch wachsende Krankheit mit einer Gesamtprävalenz von 9,8% in Deutschland im Jahr 2015, wobei die überwiegende Mehrheit der Fälle (9,5%) auf Diabetes mellitus Typ 2 zurückzuführen ist. Die Herzinsuffizienz, die häufigste kardiovaskuläre Erkrankung im Zusammenhang mit Diabetes, ist ein klinisches Syndrom, bei dem die Pumpfunktion des Herzmuskels nicht ausreicht, um die physiologischen Anforderungen einer Person aufrechtzuerhalten und zu unterstützen. Eine Herzinsuffizienz bei einem Patienten mit Diabetes kann durch eine Schädigung des Herzmuskels infolge eines ischämischen oder thrombotischen Ereignisses entstehen. In vielen Fällen lässt sich die Herzinsuffizienz jedoch nicht auf eine kardiovaskuläre Erkrankung wie Bluthochdruck oder eine koronare Herzkrankheit zurückführen.
Adaptive Prozesse beginnen oft auf zellulärer Ebene durch Veränderungen in den Signal- und Stoffwechselwegen, entwickeln sich typischerweise zu Veränderungen in der strukturellen Organisation des Gewebes, wie z. B. einer verstärkten Bildung von extrazellulärer Matrix (Fibrose), und führen schließlich zu Veränderungen von Funktionsparametern wie z.B. der Herzleistung. Ein Hauptproblem bei der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht in der schlechten Vorhersagbarkeit der Reaktionen, die durch medizinische Eingriffe – sei es diätetisch, pharmakologisch oder chirurgisch – hervorgerufen werden können. Im schlimmsten Fall können behandlungsbedingte adaptive Veränderungen die pathologische Situation sogar noch verschlimmern. Ein vielversprechender Ansatz zur Überwindung dieses Dilemmas besteht in der Verwendung mathematischer Modelle, die das vorhandene Wissen über zentrale molekulare und physiologische Schaltkreise auf zellulärer Ebene integrieren und zuverlässige Vorhersagen über die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Herzens als Reaktion auf einen Eingriff ermöglichen.
Ziel dieses Projekts ist es, die mit dem diabetischen Herzen verbundenen metabolischen und funktionellen Veränderungen systematisch zu untersuchen. Zu diesem Zweck haben wir ein computergestütztes Modell des kardialen Energiestoffwechsels entwickelt, getestet und verifiziert [1]. Das Hauptziel besteht darin, die kurz- und langfristigen metabolischen Anpassungen der Kardiomyozyten und die funktionellen metabolischen Veränderungen zu verstehen, die sich aus den Veränderungen der Enzymmenge und der Signalwege in Abhängigkeit von der externen Substratversorgung, den hormonellen Reizen und dem internen Bedarf ergeben.
Publikation:
- Berndt N, Eckstein J, Wallach I, Nordmeyer S, Kelm M, Kirchner M, Goubergrits L, Schafstedde M, Hennemuth A, Kraus M, Grune T, Mertins P, Kuehne T, Holzhütter HG. CARDIOKIN1: Computational Assessment of Myocardial Metabolic Capability in Healthy Controls and Patients With Valve Diseases. Circulation. 2021 Dec 14;144(24):1926-1939.
Projektfinanzierung: Dieses Projekt wird durch die DFG (Projektnr. 422215721) finanziert.
Kooperationspartner:
- Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
- Tilman Grune (Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)/Abteilung Molekulare Toxikologie)
Regulation der metabolischen Reprogrammierung durch das ISG15 System bei HFpEF

Adipositas ist ein wesentliches Merkmal der Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF, heart failure with preserved ejection fraction) und dafür bekannt, eine chronische nieder-gradige Entzündung zu erzeugen. Zellen reagieren auf diese Entzündungsreize mit einer Umprogrammierung ihrer posttranslationalen Modifikationswege wie der Aktivierung einer Protein-ISGylierung [1]. Dieses Projekt verfolgt die Hypothese, dass chronische Entzündung bei kardiometabolischer HFpEF eine metabolische Anpassung des Herzens auch durch die Aktivierung der ISG15-Maschinerie auslöst. Durch die Kombination von Systembiochemie mit computergestützter metabolischer Modellierung [2] wird dieses Projekt die im Herzen auftretenden metabolischen Veränderungen analysieren und untersuchen, wie das ISG15-System in die Regulation der kardialen metabolischen Leistungsfähigkeit bei HFpEF eingreift.
Publikationen:
- Kespohl M, Bredow C, Klingel K, Voß M, Paeschke A, Zickler M, Poller W, Kaya Z, Eckstein J, Fechner H, Spranger J, Fähling M, Wirth EK, Radoshevich L, Thery F, Impens F, Berndt N, Knobeloch K-P, Beling A. Protein modification with ISG15 blocks coxsackievirus pathology by antiviral and metabolic reprogramming. Science Advances. 2020 Mar 11;6(11):eaay1109.
- Berndt N, Eckstein J, Wallach I, Nordmeyer S, Kelm M, Kirchner M, Goubergrits L, Schafstedde M, Hennemuth A, Kraus M, Grune T, Mertins P, Kuehne T, Holzhütter HG. CARDIOKIN1: Computational Assessment of Myocardial Metabolic Capability in Healthy Controls and Patients With Valve Diseases. Circulation. 2021 Dec 14;144(24):1926-1939.
Projektfinanzierung: Dieses Projekt wird durch die DFG finanziert – SFB-1470 – A08.
Kooperationspartner: Antje Beling (Charité, Institut für Biochemie, AG Kardiale Infektionsbiologie und Immunologie)