
Modellierung metabolischer Prozesse in der Leber
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Kinetische Modellierung des Leberstoffwechsels

Die epidemische Zunahme der Nichtalkoholischen Fettlebererkrankungen (non-alcoholic fatty liver diseases - NAFLD) erfordert ein tieferes Verständnis der molekularen und zellulären Mechanismen, welche die Respons des Leberstoffwechsels auf Fehlernährung, Medikamente und genetische Enzymvarianten kontrollieren. Da in vivo Untersuchungen des Leberstoffwechsels von ernsten ethischen und technischen Aspekten erschwert werden, haben wir ein umfassendes, biochemisch fundiertes, kinetisches Modell des zentralen Leberstoffwechsels entwickelt, welches die Regulation der Enzymaktivitäten durch ihre Reaktionspartner, allosterische Effektoren sowie hormonabhängige Phosphorylierung beinhaltet (HEPATOKIN1). Wir zeigen den Nutzen des Modells für die Grundlagenforschung sowie medizinische und pharmakologische Anwendungen, am Beispiel der metabolischen Änderungen des Zustands der Leber als Reaktion auf Ernährung (Alkohol), Medikamente (Valproat) und erbliche Enzymstörungen (Galaktosämie) [1]. Das Modell kann dazu benutzt werden, Proteomik-Daten funktional zu verstehen, indem maximale Enzymaktivitäten für die Skalierung benutzt werden. Damit können beispielsweise individuelle Unterschiede in Stoffwechselfunktionen von normalen Hepatozyten und malignen Leberzellen (Adenom und hepatozelluläres Karzinom) in Patienten und Tiermodellen adressiert [1,2,3] oder der Unterschied in der metabolischen Funktion von portalen und zentralen Hepatozyten untersucht werden [4].
Publikationen:
- Berndt N, Bulik S, Wallach I, Wünsch T, König M, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. HEPATOKIN1 is a biochemistry-based model of liver metabolism for applications in medicine and pharmacology. Nat Commun. 2018 Jun 19;9(1):2386.
- Berndt N*, Egners A*, Mastrobuoni G*, Vvedenskaya O, Fragoulis A, Dugourd A, Bulik S, Pietzke M, Bielow C, van Gassel R, Damink SWO, Erdem M, Saez-Rodriguez J, Holzhütter HG*, Kempa S*, Cramer T*. Kinetic modelling of quantitative proteome data predicts metabolic reprogramming of liver cancer. Br J Cancer. 2020 Jan;122(2):233-244.
- Berndt N, Eckstein J, Heucke N, Wuensch T, Gajowski R, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. Metabolic heterogeneity of human hepatocellular carcinoma: implications for personalized pharmacological treatment. FEBS J. 2021 Apr;288(7):2332-2346.
- Berndt N*, Kolbe E*, Gajowski R, Eckstein J, Ott F, Meierhofer D, Holzhütter HG*, Matz-Soja M*. Functional consequences of metabolic zonation in murine livers: New insights for an old story. Hepatology. 2021 Feb;73(2):795-810.
Projektfinanzierung: Systembiologie-Programme "Virtual Liver" (Nr. 0315741) und "LiSyM" (Nr. 31L0057) sowie e:Bio (Module I) Projekt "HepatomaSys" (Nr. 0316172A), alle durch das BMBF gefördert.
Kooperationspartner:
- Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
- Martin Stockmann (Charité, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Workgroup for the Liver)
- David Meierhofer (Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Servicegruppe Massenspektrometrie)
- Madlen Matz-Soja (Universität Leipzig, Institut für Biochemie, Arbeitsgruppe Matz-Soja)
- Thorsten Cramer (Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Molekulare Tumorbiologie)
- Stefan Kempa (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Medizinische Systembiologie, Proteomik/Metabolomik)
Multiskalen-Modellierung von Lebergewebe

Die Fähigkeit der Leber, den metabolischen Input des einströmenden portalen und arteriellen Bluts in den Output des ausströmenden venösen Blutes zu überführen, basiert auf drei wesentlichen Faktoren: dem intrahepatischen Blutfluss, dem Austausch von Metaboliten zwischen Blutgefäßen (Sinusoiden) und Hepatozyten und der metabolischen Kapazität der Hepatozyten. Diese Faktoren variieren innerhalb der Leber: Selbst in gesunden Lebern, vielmehr aber noch in fibrotischen und zirrhotischen Organen, wurden regionale Unterschiede im kapillaren Blutdruck, der Gewebearchitektur und des Expressionsniveaus von Stoffwechselenzymen ('metabolische Zonierung') gefunden. Unser Verständnis, wie sich diese Variabilität auf die regionale Stoffwechselkapazität der Leber auswirkt, ist wichtig für die Interpretation funktioneller Lebertests und die Planung pharmakologischer und chirurgischer Interventionen. Die Leber kann als ein Ensemble einer großen Anzahl (mehr als eine Million) von sinusoidalen Gewebeeinheiten (STUs), die jeweils aus einem einzelnen Sinusoid bestehen, das vom Disse-Raum und einer Lage von Hepatozyten umgeben ist, betrachtet werden. Wir entwickeln räumlich und zeitlich aufgelöste kinetische Modelle der STU und berechnen die gesamte Stoffwechselleistung der Leber (arterio-venöse Glukosedifferenz) durch Integration über die Stoffwechselleistung einer ausreichend großen Anzahl repräsentativer STUs, die sich in ihrer anatomischen Struktur (Dicke und Länge des Sinusoids, Anzahl und Größe der Hepatozyten usw.) unterscheiden. Die Anwendung des Modells auf den hepatischen Glukosestoffwechsel führte zu folgenden Ergebnissen: (i) Bei portalen Glukosekonzentrationen zwischen 6 und 8 mM kann ein intra-sinusoidaler Glukosezyklus auftreten, der aus glukoseproduzierenden periportalen Hepatozyten und glukoseverbrauchenden perizentralen Hepatozyten besteht. (ii) Die regionale Variabilität des hepatischen Blutflusses ist höher als die entsprechende regionale Variabilität der metabolischen Leistung. (iii) Wir konstruieren ein räumlich aufgelöstes metabolisches Funktiogramm der Leber, das die metabolischen Aktivitäten in verschiedenen Leberregionen zeitlich aufgelöst darstellt. Das Modell zeigt, dass die Varianzen in den Gewebeparameter ebenso wichtig für die Kontrolle der arterio-venösen Glukosedifferenz sind wie Varianzen in den Enzymaktivitäten.
Publikationen:
- Berndt N, Horger MS, Bulik S, Holzhütter HG. A multiscale modelling approach to assess the impact of metabolic zonation and microperfusion on the hepatic carbohydrate metabolism. PLoS Comput Biol. 2018 Feb 15;14(2):e1006005.
- Berndt N, Holzhütter HG. Dynamic Metabolic Zonation of the Hepatic Glucose Metabolism Is Accomplished by Sinusoidal Plasma Gradients of Nutrients and Hormones. Front Physiol. 2018 Dec 12;9:1786.
Projektfinanzierung: Systembiologie-Programme "Virtual Liver" (Nr. 0315741) und "LiSyM" (Nr. 31L0057) sowie e:Bio (Module I) Projekt "HepatomaSys" (Nr.0316172A), alle durch das BMBF gefördert.
Kooperationspartner:
- Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
- Marius Horger (Universitätsklinikum Tübingen, Diagnostische and Interventionelle Radiologie)
Regulationsebenen des zellulären Metabolismus: hierarchisch oder demokratisch?

Die Anpassung des zellulären Stoffwechsels an unterschiedliche äußere Bedingungen wird durch Änderungen in den Aktivitäten von Enzymen und Transportern bewirkt. Schnelle Änderungen basieren auf hormonabhängige, reversible Enzym-Phosphorylierung und Konzentrationsänderungen von Reaktanten und allosterischen Effektoren, während über längere Zeiträume auch Veränderungen der Proteinmenge wirksam werden können. Wir haben ein umfassendes mathematisches Modell des Glukosestoffwechsels von Rattenhepatozyten verwendet, um die relative Bedeutung der verschiedenen Regulationsarten und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten bei der hepatischen Kontrolle der Plasmaglukosehomöostase zu untersuchen.
Unsere Modellsimulationen zeigen signifikante Unterschiede in der Fähigkeit des Leberstoffwechsels, Schwankungen der Plasmaglukose unter verschiedenen physiologischen Bedingungen (Fasten, ad libitum Nährstoffversorgung, Diabetes) auszugleichen. Änderungen der Enzymmenge passen die Stoffwechselleistung an den antizipierten physiologischen Bedarf an, können aber zu einem regulatorischen Nachteil werden, wenn plötzliche, unerwartete Änderungen der äußeren Bedingungen auftreten. Allosterische und hormonelle Kontrolle der Enzymaktivitäten erlauben es der Leber, eine breite Palette von Stoffwechselzuständen anzunehmen und können sogar Flussänderungen, die sich allein aus Änderungen der Enzymmenge ergeben würden, vollständig umzukehren. Die metabolische Kontrollanalyse zeigt, dass die Kontrolle des hepatischen Glukosestoffwechsels – je nach (patho)physiologischem Zustand – hauptsächlich durch spezifische Schlüsselenzyme ausgeübt wird, die durch Änderungen der Enzymmenge, reversible Phosphorylierung und allosterische Effekte unterschiedlich gesteuert werden.
Im hepatischen Glukosestoffwechsel ist die Regulierung der Enzymaktivitäten durch Änderungen der Reaktanten, allosterische Effekte und reversible Phosphorylierung ebenso wichtig wie Änderungen der Proteinmenge der wichtigsten regulatorischen Enzyme.
Publikation: Bulik S, Holzhütter HG, Berndt N. The relative importance of kinetic mechanisms and variable enzyme abundances for the regulation of hepatic glucose metabolism - insights from mathematical modeling. BMC Biol. 2016 Mar 2;14:15.
Projektfinanzierung: Systembiologie-Programme "Virtual Liver" (Nr. 0315741) und "LiSyM" (Nr. 31L0057) sowie e:Bio (Module I) Projekt "HepatomaSys" (Nr.0316172A), alle durch das BMBF gefördert.
Kooperationspartner: Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
Integration von Stoffwechsel und Signalübertragung

Die Regulation von Schlüsselenzymen durch hormonabhängige reversible Enzymphosphorylierung ist ein entscheidender Mechanismus zur Steuerung der metabolischen Aktivität in gegenläufigen Stoffwechselwegen (z. B. Glykolyse und Glukoneogenese, Lipidsynthese und Lipolyse) [1]. Die hormonelle Regulation in HEPATOKIN1 [2] umfasst die Insulin- und Glukagon-abhängige reversible Phosphorylierung von Schlüsselenzymen. Die Ratengesetze für diese Enzyme berücksichtigen, dass die phosphorylierte und dephosphorylierte Form des Enzyms unterschiedliche maximale Aktivitäten sowie kinetische Eigenschaften besitzen. Bisher haben wir phänomenologische Transfer-Funktionen verwendet, um den Phosphorylierungszustand des Enzyms mit den Plasmakonzentrationen von Insulin und Glukagon in Beziehung zu setzen [1,2]. Zusätzlich zur Kurzzeitregulation von interkonvertierbaren metabolischen Enzymen sind hormonal gesteuerte Signalwege wichtige Regulatoren der Genexpression, die die Veränderung von funktionaler Proteinmenge sowohl unter physiologischen als auch pathologischen Bedingungen steuern [3].
Um die wechselseitige Abhängigkeiten der Insulin-, Glukagon- und Epinephrin-Signalwege unter normalen und pathophysiologischen Bedingungen, wie z. B. bei Diabetes Typ 2, auf den Phosphorylierungszustand von Enzymen besser zu verstehen, planen wir in einem zukünftigen Projekt kinetische Modelle zu erstellen, die den dynamischen Zustand der einzelnen Signalwegsteile (Rezeptoren, Kinasen, Phosphatasen) mittels gewöhnlicher Differentialgleichungen beschreiben. Diese Modelle berücksichtigen explizit die verschiedenen zellulären Kompartimente (Zellmembran, Zytosol, Mitochondrien und endoplasmatisches Retikulum). Das integrierte Modell aus Metabolismus und Signalwegen soll insbesondere die metabolischen Effekte vorhersagen, die durch Agonisten und Antagonisten der Insulin-, Glukagon- und Epinephrinrezeptoren ausgelöst werden.
Publikationen:
- Bulik S, Holzhütter HG, Berndt N. The relative importance of kinetic mechanisms and variable enzyme abundances for the regulation of hepatic glucose metabolism - insights from mathematical modeling. BMC Biol. 2016 Mar 2;14:15.
- Berndt N, Bulik S, Wallach I, Wünsch T, König M, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. HEPATOKIN1 is a biochemistry-based model of liver metabolism for applications in medicine and pharmacology. Nat Commun. 2018 Jun 19;9(1):2386.
- Berndt N, Holzhütter HG. Dynamic Metabolic Zonation of the Hepatic Glucose Metabolism Is Accomplished by Sinusoidal Plasma Gradients of Nutrients and Hormones. Front Physiol. 2018 Dec 12;9:1786.
Projektfinanzierung: Systembiologie-Programme "Virtual Liver" (Nr. 0315741) und "LiSyM" (Nr. 31L0057) sowie e:Bio (Module I) Projekt "HepatomaSys" (Nr.0316172A), alle durch das BMBF gefördert.
Kooperationspartner: Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
Hepatischer Lipidmetabolismus

Die Leber reagiert auf erhöhte Plasmakonzentrationen von freien Fettsäuren mit einer verstärkten Aufnahme und Veresterung von freien Fettsäuren zu Triacylglycerin (TAG). Dies kann zu einer massiven hepatischen TAG-Akkumulation führen, die als Fettleber (Steatosis hepatis) bezeichnet wird und das erste Stadium auf dem Weg zu schwereren Lebererkrankungen wie Zirrhose, Fibrose oder Leberzellkarzinom darstellt. In Hepatozyten ist das schlecht wasserlösliche TAG entweder in Lipidtröpfchen (lipid droplets – LDs) gespeichert, die als ein vorübergehendes zelluläres Depot dienen, oder in Lipoproteinen verpackt, die TAG und Cholesterinester zu extra-hepatischen Geweben transportieren. Die Dynamik dieser "Organellen" wird durch eine Vielzahl von regulatorischen Oberflächenproteinen (regulatory surface proteins – RSPs) kontrolliert. Knockdown oder Überexpression von RSPs kann Menge und Größe der LDs signifikant beeinflussen. Bemerkenswerterweise weisen verschiedenen Zelltypen, einschließlich Hepatozyten, eine große Variabilität zwischen scheinbar gleichen Zellen bezüglich der Anzahl und Größe der in ihnen gespeicherten LDs auf. Das weist darauf hin, dass der Grad der zellulären Lipidakkumulation nicht nur durch das Ungleichgewicht zwischen Lipidzufuhr und ‑verwertung, sondern auch durch Variationen in der Expression von RSPs und Stoffwechselenzymen bestimmt wird. Um den relativen regulatorischen Einfluss der einzelnen Prozesse, die am zellulären TAG-Umsatz beteiligt sind, besser zu verstehen, haben wir ein umfassendes kinetisches Modell entwickelt, das den Fettsäure- und TAG-Stoffwechsel und die wichtigsten molekularen Prozesse, die die Dynamik der LDs bestimmen, beschreibt [1]. Wir haben das Modell benutzt, um die LD-Größenverteilungen in menschlichen Hepatozyten unter physiologischen und pathologischen Bedingungen wie Steatose, Fibrose, Zirrhose oder hepatozellulärem Karzinom zu untersuchen [2].
Publikationen:
- Wallstab C, Eleftheriadou D, Schulz T, Damm G, Seehofer D, Borlak J, Holzhütter HG, Berndt N. A unifying mathematical model of lipid droplet metabolism reveals key molecular players in the development of hepatic steatosis. FEBS J. 2017 Oct;284(19):3245-3261.
- Berndt N, Eckstein J, Heucke N, Gajowski R, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. Characterization of Lipid and Lipid Droplet Metabolism in Human HCC. Cells. 2019 May 27;8(5):512.
Projektfinanzierung: DFG-Graduiertenkolleg "Computational Systems Biology" (GRK 1722) und das Systembiologie-Programm "LiSyM" (Nr. 31L0057), gefördert durch das BMBF und die Max-Planck-Gesellschaft.
Kooperationspartner:
- Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
- Georg Damm and Daniel Seehofer (Universität Leipzig, Hepatobiliäre Chirurgie und viszerale Transplantation, Arbeitsgruppe Leberregeneration)
- Jürgen Borlak (Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Pharmako- und Toxikogenomikforschung)
- Martin Stockmann (Charité, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Workgroup for the Liver)
- David Meierhofer (Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Servicegruppe Massenspektrometrie)
Metabolische Veränderungen in hepatozellulärem Karzinom

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist die fünfthäufigste Krebsart und die dritthäufigste Ursache für krebsbedingte Todesfälle in der Welt. Die Inzidenz von HCC in Europa und den Vereinigten Staaten nimmt stetig zu und macht HCC zu einer zentralen Herausforderung für die allgemeine Gesundheit. HCC zeichnet sich durch hohe Therapieresistenz und sehr schlechte Prognose aus. Die meisten HCC-Fälle entwickeln sich auf der Grundlage einer vorbestehenden chronischen Lebererkrankung, aber zwischen 15% und 50% der HCC-Fälle entwickeln sich ohne ein bekanntes vorheriges Leberleiden. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass NAFLD (non alcoholic fatty liver disease) ein relevanter Risikofaktor für HCC ist. Die Veränderung einer normalen Leberzelle (Hepatozyt) in eine Tumorzelle ist unter anderem gekennzeichnet durch Veränderungen des Stoffwechsels, der sich auch noch zwischen den verschiedenen Krebsstadien unterscheidet. In Berndt et al. 2018 [1] haben wir gezeigt, wie sich Stoffwechselprofile zwischen normalen Hepatozyten und malignen Leberzellen wie Adenomen und HCC unterscheiden. Während sich bisherige Stoffwechselstudien zu HCC vor allem auf den Glukosestoffwechsel (Warburg-Effekt) konzentrierten, wurde den tumorspezifischen Merkmalen des Lipidstoffwechsels weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Wir haben Proteinprofile von elf humanen HCCs verwendet, um personalisierte tumorspezifische kinetische Modelle des zellulären Lipidstoffwechsels einschließlich der Synthese, Reifung und des Abbaus von Lipidtropfen (lipid droplets, LDs) zu erstellen. Unsere Analyse zeigt, dass sich der LD-Stoffwechsel von Tumor zu Tumor unterschiedet, dass jedoch funktionelle und regulatorische Merkmale in hohem Maße voneinander abhängig sind. Insbesondere diejenigen HCCs, die durch einen sehr aktiven Fettsäurestoffwechsel gekennzeichnet sind, weisen regulatorische Besonderheiten auf, die sie für ein selektives Targeting empfänglich machen, ohne gesundes Gewebe zu beeinträchtigen [2].
Stoffwechselveränderungen können als Ausgangspunkte für Diagnose und Therapie dienen. Aufgrund der hochkomplexen Regulierung des zellulären Stoffwechsels ist eine eindeutige Identifizierung von Veränderungen in den Stoffwechselwegen nach wie vor eine Herausforderung und erfordert aufwendige Experimente. Während im Allgemeinen die metabolische Umprogrammierung ein charakteristisches Merkmal von Krebszellen ist, gibt es kein allgemein gültiges metabolisches Programm für alle Tumoren. Wir haben unser kinetisches Modell des zentralen Kohlenstoffstoffwechsels [1] benutzt, um die metabolische Umprogrammierung bei Leberkrebs in der Maus zu charakterisieren. Unser systembiologischer Ansatz zeigt, dass die Physiologie-basierten Stoffwechselmodelle in Kombination mit gezielten zellulären Experimenten zur Validierung ein tieferes Verständnis des deregulierten Energiestoffwechsels bei Krebs ermöglicht [3] und die in-silico-Evaluierung von Behandlungsoptionen erlaubt. Basierend auf Proteinprofilen von zehn humanen HCCs und dem angrenzenden gesunden Gewebe haben wir außerdem 18 Stoffwechselfunktionen des Kohlenhydrat-, Lipid- und Stickstoffstoffwechsel untersucht. Wir konnten zeigen, dass bei den Tumoren zwar eine allgemeine Tendenz zu einer herunterregulierten Glukoseaufnahme und Glukoseabgabe besteht, jedoch eine große Variabilität zwischen den einzelnen Tumoren vorhanden ist. Unser Ansatz bietet eine umfassende und quantitative Charakterisierung des HCC-Stoffwechsels, die den Weg für eine computergestützte a-priori-Bewertung pharmakologischer Therapien, die auf Stoffwechselprozesse des HCC abzielen, ebnen könnte [4].
Publikationen:
- Berndt N, Bulik S, Wallach I, Wünsch T, König M, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. HEPATOKIN1 is a biochemistry-based model of liver metabolism for applications in medicine and pharmacology. Nat Commun. 2018 Jun 19;9(1):2386.
- Berndt N, Eckstein J, Heucke N, Gajowski R, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. Characterization of Lipid and Lipid Droplet Metabolism in Human HCC. Cells. 2019 May 27;8(5):512.
- Berndt N*, Egners A*, Mastrobuoni G*, Vvedenskaya O, Fragoulis A, Dugourd A, Bulik S, Pietzke M, Bielow C, van Gassel R, Damink SWO, Erdem M, Saez-Rodriguez J, Holzhütter HG*, Kempa S*, Cramer T*. Kinetic modelling of quantitative proteome data predicts metabolic reprogramming of liver cancer. Br J Cancer. 2020 Jan;122(2):233-244.
- Berndt N, Eckstein J, Heucke N, Wuensch T, Gajowski R, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. Metabolic heterogeneity of human hepatocellular carcinoma: implications for personalized pharmacological treatment. FEBS J. 2021 Apr;288(7):2332-2346.
Projektfinanzierung: Systembiologie-Programme "Virtual Liver" (Nr. 0315741) und "LiSyM" (grant no. 31L0057), as well as the e:Bio (Module I) project "HepatomaSys" (Nr. 31L0057) sowie e:Bio (Module I) Projekt "HepatomaSys" (Nr.0316172A), alle durch das BMBF gefördert..
Kooperationspartner:
- Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
- Martin Stockmann (Charité, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Workgroup for the Liver)
- David Meierhofer (Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Servicegruppe Massenspektrometrie)
- Thorsten Cramer (Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie), Molekulare Tumorbiologie
- Stefan Kempa (Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Medizinische Systembiologie, Proteomik/Metabolomik)
Leberstoffwechsel in Jugendlichen mit nichtalkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD)

Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung (Non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) ist die häufigste chronische Lebererkrankung bei Kindern und wird mit Übergewicht und Insulinresistenz (IR) in Verbindung gebracht. Über die in vivo-Veränderungen des Leberstoffwechsels bei NAFLD, insbesondere in den frühen Stadien der nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH), ist fast nichts bekannt. Hier haben wir ein komplexes mathematisches Modell des Leberstoffwechsels verwendet, um die zentralen hepatischen Stoffwechselfunktionen von 71 Kindern mit einer durch Biopsie nachgewiesenen NAFLD zu quantifizieren. Für jeden Patienten wurde eine personalisierte Modellvariante auf der Grundlage von durch Massenspektroskopie bestimmten Enzymmengen erstellt. Unsere Analyse ergab statistisch signifikante Veränderungen im hepatischen Kohlenhydrat-, Lipid- und Ammoniakstoffwechsel, die mit dem Grad der Fettleibigkeit und dem Schweregrad der NAFLD zunahmen. Die histologischen Merkmale von NASH und IR zeigten gegensätzliche Assoziationen mit den Veränderungen im Kohlenhydrat- und Lipidstoffwechsel, verringerten aber synergistisch die Harnstoffsynthese zugunsten einer erhöhten Glutaminfreisetzung, die eine treibende Kraft der Leberfibrose ist. Insgesamt zeigt unsere Studie bereits signifikante Veränderungen in der NASH-Leber pädiatrischer Patienten, die jedoch durch das gleichzeitige Vorhandensein von IR unterschiedlich moduliert werden.
Publikation: Berndt N*, Hudert CA*, Eckstein J, Loddenkemper C, Henning S, Bufler P, Meierhofer D, Sack I, Wiegand S, Wallach I, Holzhütter HG. Alterations of Central Liver Metabolism of Pediatric Patients with Non-Alcoholic Fatty Liver Disease. Int J Mol Sci. 2022;23(19):11072.
Projektfinanzierung: BMBF-gefördertes Systembiologie-Programm "LiSyM" (Nr. 31L0057)
Kooperationspartner:
- Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)
- David Meierhofer (Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Servicegruppe Massenspektrometrie)
- Ingolf Sack (Charité, Klinik für Radiologie)
- Susanna Wiegand (Charité, Sozialpädiatrisches Zentrum)
- Christian Hudert & Philip Bufler (Charité, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Gastroenterologie, Nephrologie und Stoffwechselmedizin)
LiSyM-Krebs – DEEP-HCC – Metabolische Phänotypisierung

Im Rahmen des DEEP-HCC-Konsortiums verfolgen wir das Ziel, neuartige bildgebende Biomarker und potenzielle Ziele für die Früherkennung und Prävention des hepatozellulären Karzinoms (HCC) zu finden. Unsere molekular aufgelösten kinetischen Modelle, die sich auf das frühe humane HCC konzentrieren, ermöglichen die metabolisch-funktionelle Interpretation von Proteinmengen. Auf Grundlage von Proteomdaten von Gewebe aus verschiedenen Tumorzonen sowie angrenzendem und nicht krebsartigem Gewebe werden wir personalisierte Stoffwechselmodelle für individuelle HCCs erstellen, um 1) metabolische Veränderungen in HCCs zu identifizieren, 2) metabolische Veränderungen in verschiedenen Tumorzonen zu unterscheiden, 3) funktionelle molekulare Marker für metabolische Veränderungen bereitzustellen und 4) potenzielle Ziele zu identifizieren, die als Biomarker oder für Interventionen geeignet sind.
Wir werden auch die Möglichkeit untersuchen, Transkriptomik für die Erstellung von personalisierten Stoffwechselmodellen des frühen HCC zu nutzen. Schließlich werden wir metabolische Submodule bereitstellen, die in räumlichen Modellen des HCC auf Gewebeebene verwendet werden können.
Projektfinanzierung: BMBF-gefördertes Systemmedizin-Programm LiSyM-Cancer – DEEP-HCC (Nr. 031L0258H).
Kooperationspartner:
- Jochen Hampe (Medizinische Klinik 1, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden)
- Madlen Matz-Soja (Universität Leipzig, Institut für Biochemie, Arbeitsgruppe Matz-Soja)
- Jens Pietzsch (Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, Radiopharmazeutische und Chemische Biologie)
- Thorsten Cramer (Uniklinik RWTH Aachen, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Molekulare Tumorbiologie)
Frühere Publikationen:
- Berndt N, Bulik S, Wallach I, Wünsch T, König M, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. HEPATOKIN1 is a biochemistry-based model of liver metabolism for applications in medicine and pharmacology. Nat Commun. 2018 Jun 19;9(1):2386.
- Berndt N, Eckstein J, Heucke N, Gajowski R, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. Characterization of Lipid and Lipid Droplet Metabolism in Human HCC. Cells. 2019 May 27;8(5):512.
- Berndt N*, Egners A*, Mastrobuoni G*, Vvedenskaya O, Fragoulis A, Dugourd A, Bulik S, Pietzke M, Bielow C, van Gassel R, Damink SWO, Erdem M, Saez-Rodriguez J, Holzhütter HG*, Kempa S*, Cramer T*. Kinetic modelling of quantitative proteome data predicts metabolic reprogramming of liver cancer. Br J Cancer. 2020 Jan;122(2):233-244.
- Berndt N, Eckstein J, Heucke N, Wuensch T, Gajowski R, Stockmann M, Meierhofer D, Holzhütter HG. Metabolic heterogeneity of human hepatocellular carcinoma: implications for personalized pharmacological treatment. FEBS J. 2021 Apr;288(7):2332-2346.