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Modellierung metabolischer und elektrophysiologischer Prozesse in neuronalen Zellen

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Sauerstoffverbrauch in Hirnschnitten

Tiefenprofile des partiellen Sauerstoffdrucks (pO2) während drei verschiedener Aktivitätszustände. (A) Repräsentative Messkurven der pO2-Tiefenprofile in Abwesenheit von Spiking (TTX, schwarze Kurve), spontaner Netzwerkaktivität (SPON, dunkelgraue Kurve) und cholinergisch induzierten Gamma-Oszillationen (GAM, hellgraue Kurve). (B) Quantifizierung der niedrigsten pO2-Werte, die während der verschiedenen Aktivitätszustände ermittelt wurden. (C) Quantifizierung des Sauerstoffverbrauchs in den verschiedenen Aktivitätszuständen.

Das Gehirn ist ein Organ mit einer sehr hohen Stoffwechselrate, dessen Energieverbrauch jedoch stark von der Aktivität der neuronalen Netzwerke abhängt. Um den Energieverbrauch bei verschiedenen Aktivitätszuständen zu quantifizieren, haben wir uns dieser Frage in der CA3 Region in Hippocampus-Schnittkulturen unter definierten Bedingungen bei Begasung mit einem 20%igen O2-Gasgemisch gewidmet. Mittels kombinierter Messungen des lokalen Feldpotentials und des interstitiellen Sauerstoffpartialdrucks (pO2) während drei verschiedener Aktivitätszustände (schnelle Netzwerkoszillationen im Gammafrequenzband (30 bis 100 Hz), spontane Netzwerkaktivität und Abwesenheit von Spiking (Aktionspotentiale)) wurden die Sauerstoffverbrauchsraten anhand von pO2-Tiefenprofilen mit hoher räumlicher Auflösung unter Zuhilfenahme eines mathematischen Modells, welches konvektiven Transport, Diffusion und aktivitätsabhängigen Sauerstoffverbrauch berücksichtigt, ermittelt. Wir zeigen, dass (1) die relative Sauerstoffverbrauchsrate während cholinerger Gamma-Oszillationen 2,2- bzw. 5,3-mal höher ist als bei spontaner Aktivität bzw. bei Abwesenheit von Spiking; (2) Gamma-Oszillationen bei 20%iger O2-Begasung mit einer ähnlich starken Abnahme des pO2 verbunden sind, wie zuvor bei einem 95%igen O2-Gasgemisch beobachtet wurde; und (3) eine ausreichende Sauerstoffzufuhr während schneller Netzwerk-Oszillationen in vivo innerhalb eines kritischen Radius von 30 bis 40 mm um Kapillaren gewährleistet ist. Wir schließen daraus, dass die strukturellen und biophysikalischen Merkmale des Hirngewebes Schwankungen des lokalen Sauerstoffverbrauchs um einen Faktor von etwa fünf zulassen [1].

Publikationen:

  1. Huchzermeyer C*, Berndt N*, Holzhütter HG*, Kann O*. Oxygen consumption rates during three different neuronal activity states in the hippocampal CA3 network. J Cereb Blood Flow Metab. 2013 Feb;33(2):263-71.

Projektfinanzierung: Sonderforschungsbereich (SFB) 618 "Theoretische Biologie: Robustheit, Modularität und evolutionäres Design lebender Systeme" (Projektnr. 5485271), gefördert durch die DFG.

Kooperationspartner:

Wie die NAD(P)H-Fluoreszenz den neuronalen Energiestoffwechsel spiegelt

(A) Reaktionen und Transportprozesse, die im kinetischen Zellmodell enthalten sind. (B) Schematische Darstellung des Scheibenmodells, das zur Simulation räumlicher Sauerstoffgradienten innerhalb einer Hirnscheibe verwendet wird. (C) Schematische Darstellung des Gewebemodells, das zur Simulation von NADH-Transienten in vivo verwendet wird.

Intrazelluläre Fluoreszenz der reduzierten Form von Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid (Phosphat) (NAD(P)H) ist eine der wenigen Größen, die eine direkte nichtinvasive Messung von Mitochondrienfunktion gestatten und damit Rückschlüsse auf metabolische Prozesse in neuronalen Geweben ermöglichen. Die NAD(P)H Fluoreszenz ist das Ergebnis verschiedener molekularer Prozesse und wird z.B. von der intrazellulären Kalziumdynamik, der Aktivität des Tricarbonsäurezyklus, dem Malat-Aspartat-Shuttle, dem Glycerin-3-Phosphat-Shuttle, der Sauerstoffversorgung oder dem ATP-Bedarf beeinflusst. Nach Stimulation zeigt die NAD(P)H-Fluoreszenzintensität häufig eine biphasische Dynamik bestehend aus einem initialen Abfall gefolgt von einem späteren Überschuss. Um den Einfluss der verschiedenen Prozesse auf diese Dynamik zu verstehen, haben wir ein detailliertes physiologisches mathematisches Modell des Energiestoffwechsels neuronaler Zellen entwickelt und zur Simulation metabolischer Veränderungen einzelner Zellen und Gewebeschnitte unter verschiedenen Bedingungen wie Stimulus-induzierter Aktivität oder variierendes Angebots von Glukose, Pyruvat oder Laktat verwendet [1]. Dieser Ansatz erklärt unterschiedliche und manchmal sogar scheinbar gegensätzliche experimentelle Befunde und verbessert maßgeblich unser mechanistisches Verständnis der metabolischen Veränderungen, die den NAD(P)H-Fluoreszenztransienten in lebenden Zellen zugrunde liegen. In nachfolgenden Studien habe wir mithilfe des Models den Energiestoffwechsel, der der kortikalen Informationsverarbeitung zugrunde liegt untersucht [2]. Wir konnten zeigen, dass Gamma-Oszillationen mit hohem Energieverbrauch eine Blutflussantwort notwendig machen, um den Sauerstoffbedarf der aktiven Mitochondrien zu entsprechen. Unsere Daten zeigen, dass der Energieverbrauch stark vom Aktivitätszustand des neuronalen Netzes abhängt und besonders bei höheren Hirnfunktionen kritische Werte erreichen kann.

In anderen Studie haben wir das Modell benutzt, um den Energiestoffwechsels unter verschiedenen physiologischen und pathologischen Bedingungen wie neurodegenerativen Erkrankungen, Epilepsie, Demyelinierung oder Narkose zu bewerten (siehe die anderen Projektbeschreibungen).

Publikationen:

  1. Berndt N, Kann O, Holzhütter HG. Physiology-based kinetic modeling of neuronal energy metabolism unravels the molecular basis of temporal NAD(P)H fluorescence profiles. J Cereb Blood Flow Metab. 2015 Sep;35(9):1494-506.
  2. Schneider J*, Berndt N*, Papageorgiou IE, Maurer J, Bulik S, Both M, Draguhn A, Holzhütter HG, Kann O. Local oxygen homeostasis during various neuronal network activity states in the mouse hippocampus. J Cereb Blood Flow Metab. 2019 May;39(5):859-873.

Projektfinanzierung: Das Projekt wurde teilweise durch die DFG (Projektnr. 650953 und 408355133) und das BMBF Systembiologie-Programm "Virtual Liver" (Nr. 0315741) sowie durch die DFG im Rahmen des SFB 1134 gefördert. 

Kooperationspartner:

Metabolische Veränderungen in neurodegenerativen Erkrankungen

Schematische Darstellung des mathematischen Modells des mitochondrialen Energiestoffwechsels.

Immer mehr experimentelle Belege deuten darauf hin, dass eine mitochondriale Dysfunktion eine Schlüsselrolle bei der altersabhängigen Schädigung von Nervenzellen spielt, die mehreren neurodegenerativen Erkrankungen zugrunde liegt. Insbesondere eine verminderte Aktivität des α-Ketoglutarat-Dehydrogenase-Komplexes (KGDHC) im Gehirn, eine verminderte Aktivität des Komplexes I der Atmungskette (RC) und eine erhöhte Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) treten bei mehreren neurodegenerativen Erkrankungen wie der Parkinson-Krankheit und der Alzheimer-Krankheit auf. Um die den experimentellen Befunden zugrundeliegende Stoffwechselregulation zu verstehen, haben wir ein detailliertes kinetisches Modell des mitochondrialen Energiestoffwechsels entwickelt und angewendet. Modellsimulationen ergaben einen schwellenwertartigen Rückgang der ATP-Produktionsrate bei etwa 60%iger Hemmung von KGDHC, begleitet von einem deutlichen Anstieg des mitochondrialen Membranpotenzials. Wir zeigten auch, dass der Reduktionszustand derjenigen Stellen der Atmungskette, die vermutlich an der ROS-Produktion beteiligt sind, mit zunehmendem Grad der KGDHC-Hemmung abnahm, was auf eine ROS-reduzierende Wirkung der KGDHC-Hemmung hindeutet [1].

Als Nächstes haben wir das Modell auf eine Situation angewandt, in der sowohl KGDHC als auch Komplex I eine reduzierte Aktivität aufweisen. Diese Berechnungen zeigen synergistische Effekte in Bezug auf den Energiestoffwechsel, aber antagonistische Effekte in Bezug auf die ROS-Bildung: Der Rückgang der ATP-Produktionskapazität ist ausgeprägter als bei Hemmung eines der beiden Enzymkomplexe allein. Interessanterweise wird jedoch der Reduktionszustand der ROS-bildenden Stellen des beeinträchtigten Komplexes I signifikant gesenkt, wenn zusätzlich die Aktivität des KGDHC reduziert wird [2].

Publikationen:

  1. Berndt N, Bulik S, Holzhütter HG. Kinetic Modeling of the Mitochondrial Energy Metabolism of Neuronal Cells: The Impact of Reduced α-Ketoglutarate Dehydrogenase Activities on ATP Production and Generation of Reactive Oxygen Species. Int J Cell Biol. 2012;2012:757594.
  2. Berndt N, Holzhütter HG, Bulik S. Implications of enzyme deficiencies on mitochondrial energy metabolism and reactive oxygen species formation of neurons involved in rotenone-induced Parkinson's disease: a model-based analysis. FEBS J. 2013 Oct;280(20):5080-93.

Projektfinanzierung: Das Projekt wurde teilweise durch das BMBF Systembiologie-Programm "Virtual Liver" (Nr. 0315741) gefördert.

Kooperationspartner: Hermann-Georg Holzhütter (Charité, Institut für Biochemie, AG Mathematische Systembiochemie)

Einfluss von Anästhetika auf den zerebralen Energiestoffwechsel bei leichter und tiefer Narkose

Veranschaulichung der Auswirkungen von Propofol auf die neuronale Funktionalität während und nach der Narkose.

Die Vollnarkose ist ein medikamentös induzierter, reversibler Zustand der Bewusstlosigkeit, Amnesie, Analgesie und Akinesie. Das kortikale Elektroenzephalogramm zeigt typische dosisabhängige Veränderungen während der Anästhesie mit charakteristischen Phasen neuronaler Aktivität. Trotz unbestreitbarer Verbesserungen in der Anästhesiologie wachsen die Bedenken hinsichtlich der langfristigen Auswirkungen von Anästhetika auf das zentrale Nervensystem. Insbesondere die Tiefenanästhesie wird mit postoperativem Delirium, langanhaltenden postoperativen kognitiven Funktionsstörungen und erhöhter Sterblichkeit in Verbindung gebracht. Die Rolle der Anästhetika bei diesen neurologischen Komplikationen ist nach wie vor unklar und bedarf dringend der Klärung.

Propofol ist das am häufigsten verwendete intravenöse Anästhetikum zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose und wirkt in erster Linie als GABAA-Agonist, doch sind auch Auswirkungen auf andere neuronale Rezeptoren und spannungsabhängige Ionenkanäle beschrieben worden. Neben seiner direkten Wirkung auf die Neurotransmission wird vermutet, dass die Beeinträchtigung der Mitochondrienfunktion in Neuronen für die Neurotoxizität und die postoperative Hirnfunktionsstörung verantwortlich ist. Um die potenziell neurotoxische Wirkung genauer zu klären, untersuchten wir die Auswirkungen von Propofol auf den neuronalen Energiestoffwechsel von Hippocampusschnitten des Stratum pyramidale des Areals CA3 bei verschiedenen Aktivitätszuständen. Wir kombinierten Sauerstoffmessungen, Elektrophysiologie und Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD)-Bildgebung mit computergestützter Modellierung, um molekulare Ziele im mitochondrialen Energiestoffwechsel aufzudecken, die direkt durch Propofol gehemmt werden. Wir fanden heraus, dass hohe Konzentrationen von Propofol (100 μM) die Populations-Spikes, das Paar-Puls-Verhältnis, die zerebrale metabolische Rate des Sauerstoffverbrauchs (CMRO2), die Frequenz und die Leistung der Gamma-Oszillationen signifikant verringern und die FAD-Oxidation erhöhen. Modellbasierte Simulationen des mitochondrialen FAD-Redoxzustands bei Hemmung verschiedener Komplexe der Atmungskette und der Pyruvat-Dehydrogenase zeigen, dass die Veränderungen der FAD-Autofluoreszenz während der Propofol-Verabreichung mit einer starken direkten Hemmung des Komplexes II (cxII) der Atmungskette erklärt werden können. Während sich diese Hemmung unter normalen Bedingungen nicht auf die ATP-Verfügbarkeit auswirkt, kann sie sich bei hohem Energiebedarf bemerkbar machen. Unsere Daten unterstützen die Vorstellung, dass Propofol zu Neurotoxizität und neuronaler Dysfunktion führen kann, indem es den Energiestoffwechsel in Neuronen direkt beeinflusst.

In neueren Studien haben wir auch die Wirkung der Anästhetika Isofluran und Sevofluran auf die neuronale Übertragung und den Stoffwechsel bei Wistar-Ratten und in Gehirnschnittpräparaten untersucht [2, 3].

Publikationen:

  1. Berndt N, Rösner J, Haq RU, Kann O, Kovács R, Holzhütter HG, Spies C, Liotta A. Possible neurotoxicity of the anesthetic propofol: evidence for the inhibition of complex II of the respiratory chain in area CA3 of rat hippocampal slices. Arch Toxicol. 2018 Oct;92(10):3191-3205.
  2. Berndt N, Kovács R, Schoknecht K, Rösner J, Reiffurth C, Maechler M, Holzhütter HG, Dreier JP, Spies C, Liotta A. Low neuronal metabolism during isoflurane-induced burst suppression is related to synaptic inhibition while neurovascular coupling and mitochondrial function remain intact. J Cereb Blood Flow Metab. 2021 Apr 25;271678X211010353.
  3. Maechler M, Rösner J, Wallach I, Geiger JRP, Spies C, Liotta A*, Berndt N*. Sevoflurane Effects on Neuronal Energy Metabolism Correlate with Activity States while Mitochondrial Function Remains Intact. Int J Mol Sci. 2022 Mar 11;23(6):3037.

Projektfinanzierung: Dieses Projekt ist teilweise durch die DFG (Projektnr. 650953 und 408355133) und durch das BMBF im Rahmen des Systembiologie-Programms "LiSyM" (Nr. 31L0057) finanziert. Agustin Liotta ist Teilnehmer am BIH Charité Clinician Scientist Program, finanziert durch die Charité – Universitätsmedizin Berlin und das Berlin Institute of Health.

Kooperationpartner: